Welche Auswirkungen im späteren Leben zu erwarten sind
Kinder gelten als aufgeweckt und lebhaft. Doch die Ursachen für das besondere Bedürfnis eines Kindes nach Aufmerksamkeit können dabei oft unerkannt bleiben, was zu fatalen Folgen im späteren Erwachsenenleben führen kann.
Seelen ohne Abwehrschild
Kinder nehmen ihre Umgebung und ihre Veränderungen ungeschützt war. Abwehrmechanismen sind etwas, das wir erst im späteren Leben, meist ab der Pubertät, lernen. Sie reflektieren das Wahrgenommene im positiven wie im negativen Sinne.
Wichtig zu verstehen ist: Kinder manipulieren nicht! Sie drücken sich in Form ihres Verhaltens aus. Schon ein Neugeborenes hat den Instinkt zu schreien, wenn es ein Bedürfnis hat. Dieses kann Hunger sein, aber auch das Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung drückt ein Neugeborenes durch schreien aus. Wird dieses Bedürfnis nicht so oft wie möglich erhört und befriedigt, bilden wir bereits den Nährboden für spätere Verhaltensauffälligkeiten durch Vernachlässigung unseres Kindes.
Junge Eltern kennen folgende Szene: Ein Baby schreit und die Mutter oder der Vater ist sofort zur Stelle um es zu halten und zu trösten und das Baby hört sofort auf zu schreien. Vom Umfeld kommen darauf unterschiedliche Reaktionen, doch eine ist immer: „Na, der Kleine hat dich ja ganz schön im Griff.“ Beschämt lassen wir solche Aussagen unkommentiert und fühlen uns schuldig oder wir sind wütend und schlucken den Frust. Beim nächsten Schreien des Babys zögert das Elternteil schon etwas und kommt vielleicht nicht mehr so schnell, bis es irgendwann nur noch in den nötigsten Situationen reagiert. Eine fatale Vernachlässigung des Kindes schleicht sich ein.
Das sofortige Ende des Schreiens wird Manipulation betrachtet. Das Baby hat, was es wollte, die Aufmerksamkeit seiner Eltern, und jetzt ist es zufrieden. Lesen Sie diesen Satz bitte erneut: Das Baby hat, was es brauchte, und ist nun wieder glücklich! Sein Bedürfnis nach Mama oder Papa wurde befriedigt, seine Gefühlswelt respektiert! Das ist etwas Gutes und hat nichts mit Manipulation zu tun.
Werden diese Bedürfnisse nicht gehört oder als Manipulation fehlinterpretiert entsteht in Ihrem Baby eine emotionale Leere. Diese wird es ein Leben lang mit sich herumtragen.
Vernachlässigung des Kindes ohne Konsequenzen
In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass die andauernde Vernachlässigung eines Kindes keinerlei Folgen auf das Erwachsenenleben eines Menschen hat. So hat eine britische Studie gezeigt, dass eines von fünf längerfristig in einem rumänischen Heim in den 1990er Jahren untergebrachten Kindern überhaupt keine psychischen Probleme hatte. An diesem Punkt sollen zukünftige Studien ansetzen: „Wir wissen immer noch sehr wenig darüber, warum einige der Kinder trotz extremer Vernachlässigung keine Spätfolgen zeigen“, sagt Robert Kumsta, Professor an der Bochumer Arbeitsgruppe Genetische Psychologie (Quelle: derstandard.at/2000053139010/Warum-vernachlaessigte-Kinder-kranke-Erwachsene-werden).
Vernachlässigte Kinder als Erwachsene
Grundsätzlich ist mit Spätfolgen einer Vernachlässigung des Kindes zu rechnen. Sie können sich bereits in der Pubertät zeigen oder erst im späteren Liebes- und Familienleben. So haben Recherchen gezeigt, dass eine Vielzahl an jugendlichen Borderline-Erkrankten Ablehnung, Vernachlässigung oder Gewalt durch wichtige Bezugspersonen in ihrer Kindheit erlebt haben. Borderline-Patienten einer Studie gaben an, wenig Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit erlebt zu haben, ihre Bedürfnisse und Gefühle wurden wenig beachtet und sehr unterschiedlich beantwortet.
Auch Drogenmissbrauch, Essstörungen, Kaufsucht und häufige Selbstmordversuche gehören zu den Spätfolgen einer Vernachlässigung im Kindesalter.
Ähnlich wie bei Borderline liegt auch der Magersucht ein negatives Bild des eigenen Körpers zu Grunde. Durch das Unterdrücken von Gefühlen (zum Beispiel Hunger) verhindern Magersüchtige, dass eines ihrer Bedürfnisse ignoriert werden kann, weil es gar nicht da ist.
Prävention entscheidend
Ein Kind zu vernachlässigen heißt nicht, ihm grundlegende Bedürfnisse nach Nahrung und Hygiene zu verweigern, auch emotionale Bedürfnisse müssen von den Eltern gehört werden. Sonst sind die Spätfolgen der Vernachlässigung unabsehbar.
Autor: Redaktion/Kerstin
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