Wenn der Babybliues zur postpartalen Depression wird

Wenn der Babyblues zur postpartalen Depression wird

50%-80% der Frauen fallen ca. 10 Tage nach der Geburt in ein Stimmungstief, das meist 3-5 Tage anhält und dann von selbst wieder verschwindet. Wenn dieser sogenannte Babyblues jedoch länger als zwei Wochen anhält, kann von einer postpartalen oder postnatalen Depression gesprochen werden. Sie kann jederzeit im Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Geburt erstmalig auftreten und muss behandelt werden, sonst besteht die Gefahr, dass sich aus ihr eine dauerhafte Depression entwickelt. Betroffen sind 10% – 20% der Mütter, aber auch 4% der Väter. Symptome, wie Traurigkeit, Weinen, Erschöpfung, Ängstlichkeit, Schlaf- und Ruhelosigkeit, Stimmungsschwankungen und Konzentrationsschwierigkeiten können auftreten. Aber auch Befindlichkeiten, wie ein inneres Leeregefühl, Schuldgefühle, ambivalente Gefühle dem Kind gegenüber, allgemeines Desinteresse, Teilnahmslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Tötungsgedanken, Herzbeschwerden, Kopfschmerzen, extreme Reizbarkeit und vieles mehr.

 

Die Ursache für Baby-Blues und postpartale Depression

Die Ursache des Babyblues ist zumeist schlicht biologisch, wie die Anstrengung während der Geburt, die körperliche Erschöpfung und Umstellung danach. Dazu kommt noch eine starke und schnelle Veränderung des Hormonhaushaltes. Hormone können natürlich auch eine Depression mitbedingen, wie bei einer Schilddrüsenunterfunktion beispielsweise, es kann aber auch schon eine einschlägige Vorbelastung geben. Zusätzlich gibt noch andere komplexere Aspekte, von denen wohl einige ineinander gehen und sich dann in der Postpartalen Depression, als Anpassungsstörung äußern.

Wenn aus zweien drei werden und das Paar zur Familie wird, erfordert dies eine unvorhersehbare Anpassung von großer Tragweite. Hier herrscht an sich eine Krisensituation vor, insofern, das was bisher üblich war jetzt ganz anders ist, die jungen Eltern anstehen und ihre herkömmlichen Strategien zur Bewältigung nicht mehr ausreichen. Diese Krise wird meist positiv erlebt, die jungen Eltern haben eine sehr große Motivation rasch neue Umgangsweisen mit dem Kind und miteinander zu lernen. Wer jedoch in dieser Situation zu denen gehört, die in ein tiefes Loch stürzen, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr heraus kommen, lässt sich vor der Geburt nicht sagen. Oft sind es gerade die scheinbar starken Frauen und Männer, während scheinbar nicht belastbare Menschen plötzlich mit der Aufgabe wachsen oder schlicht das Leben so nehmen, wie es kommt.

 

Babyblues und postpartale Depression

Postpartale Depression – der Babyblues – betrifft oft „starke“ Frauen und Männer

Im der Arbeit mit Betroffenen zeigt sich ein ungeheurer Anspruch möglichst alles perfekt machen zu wollen – Stillen, Babypflege, Erziehung, Hauhalt, … Es sind sehr kontrollierte und kontrollierende Personen, die gewohnt waren damit erfolgreich ihre Ziele umzusetzen. Jetzt stellt sich aber heraus, dass das Kind in seinem Verhalten nicht planbar ist. Es reagiert immer irgend wie neu, vor allem aber unerwartet. Dadurch werden die Unsicherheiten größer und auch das Grübeln über Möglichkeiten, wie der Plan doch aufgehen könnte nimmt zu. Statt der Einsicht, dass das Baby eben nicht ohne Widerstand in ein Schema hineingepresst werden kann, wächst die Überzeugung alles falsch zu machen. Betroffene Eltern sind oft sehr kopflastige Menschen, denen ein breites Gefühlspektrum Angst macht, vor allem wenn sie Schuldgefühle dem Baby gegenüber entwickeln, weil sie nicht glücklich sind.

 

Verunsicherung entsteht auch durch einen etwaigen Impuls, das Kleine, wenn es schon wieder schreit auf den Mond schießen zu wollen, aber wegen der Wut und dem Hass, den sie für es empfinden. Der Anspruch eine glückliche Kindheit zu ermöglichen und eine glückliche Mutter für das Kind zu sein, übersieht oft, dass Widerstände und Konflikte erst eine gesunde Entwicklung ermöglichen. So werden diese nicht angenommen, sondern die Konfliktquelle, die Eltern selbst, die Partner abgewertet. Weitere Aspekte sind das Paradoxon, dass die Hauptbetreuungsperson sich gleichzeitig allein und ohne Intimsphäre und auch hilflos dem Kind ausgeliefert erlebt. Statt der Zeit daheim als Kinderbetreuungszeit genießen zu können, fühlt sie sich eingesperrt und durch eine irgendwie nicht mit herkömmlichen Maßstäben messbare Anstrengung sehr dünnhäutig. Die Negativspirale dreht sich weiter nach unten. Gleichzeitig wird der Partner als Elternteil anders erlebt, als vorher besprochen und erträumt, und damit nicht als Stütze, sondern als jemand, der sich aus den Vereinbarungen und der Verantwortung hinausstiehlt.

 

Postpartale Depression benötigt professionelle Hilfe – Babyblues nicht

Im Gegensatz zum Babyblues vergeht die Postpartale Depression nicht automatisch von selbst. Die betroffene Person bedarf professioneller Hilfe von außen. In einer Psychotherapie können die versteckten und bewussten Ansprüche aufgedeckt werden und die Ängste überwunden werden, die beispielsweise hinter dem Bedürfnis nach Kontrolle stehen. Auch teils massive Kränkungen und Verluste aus der eigenen Kindheit und Jugend haben in therapeutischer Begleitung die Chance zu heilen und angenommen zu werden.

 

Autor: Mag. Gabriele Peinbauer-Berger

Fotocredit: Stock-Asso, Andrzej Wilusz /Shutterstock.com

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