Nicht immer planen Eltern schon kurz nach der Geburt des ersten Kindes weiteren Familienzuwachs, sondern nehmen sich einige Jahre Zeit, ihr neues Leben mit einem Kind kennenzulernen und ihren Alltag umzustrukturieren. Sobald sie sich jedoch für ein weiteres Kind entscheiden, stellt sich den Eltern die Frage, ob und wie sich ein größerer Altersabstand bei Geschwistern auf das gemeinsame Leben auswirken kann.
Doppelte Belastung vs. Déjà-vu
Ein größerer Altersabstand bei Geschwistern wirkt sich nicht nur auf die Kinder, sondern auch auf das Leben der Eltern aus. Beträgt der Altersunterschied beispielsweise 5 Jahre, so ist die Familie mittlerweile in einem Abschnitt der Entwicklung angekommen, in dem Mama und Papa keine Windeln mehr wechseln müssen, in dem die anstrengende Phase des Zahnens vorbei ist, in dem sich die gesamte Familie einem ruhigen Nachtschlaf hingeben kann und in dem das erstgeborene Kind vielleicht sogar schon einen Kindergarten besucht. All diese Faktoren verschaffen den Eltern einen gewissen Freiraum, den sie dazu nutzen können, wieder in den Beruf einzusteigen oder sich vermehrt als Paar kleine Auszeiten zu nehmen. Kündigt sich nun ein Geschwisterchen an, müssen sich die Eltern nach dessen Geburt wieder vollkommen neu organisieren und werden in die Phase des Wickelns, des Zahnens und der schlaflosen Nächte zurückversetzt. Eltern sollten sich dieser Tatsache bewusst sein, bevor die Entscheidung für ein weiteres Kind fällt. Können beide Elternteile guten Gewissens von sich behaupten, dass sie diese „Reise zurück zu den Anfängen“ von Herzen gerne antreten wollen, steht einer erneuten Schwangerschaft nichts mehr im Wege.
Die Entscheidung, einen größeren Abstand bei den Geschwistern zu bevorzugen, bringt jedoch auch Vorteile mit sich: Durch die zunehmende Selbständigkeit des Erstgeborenen bleibt mehr Zeit für das Neugeborene übrig. Während das ältere Kind im Kindergarten oder bei guten Freunden zu Besuch ist, können sich Mutter und Vater sehr intensiv mit dem Säugling beschäftigen. Würde der Altersunterschied zwischen den Geschwistern jedoch nur bei einem Jahr oder sogar weniger liegen, müssten die Eltern in der ersten Zeit nach beiden Geburten eine enorme Belastung bewältigen. Zwei Säuglinge bedeuten doppelte Arztbesuche, abwechselnde Phasen des Zahnens, Trotzens und Krankseins und machen eine perfekte Organisation des Familienalltags unabdingbar.
Warum einige Eltern sich dennoch bewusst auf die doppelte Belastung und den enormen Stress einlassen? Weil sie sich auf die Zeit freuen, in der beide Kinder aus „dem Gröbsten heraus“ sind. Eltern, die diesen Weg wählen, können sich nach der, sicherlich manchmal schweren, Anfangszeit auf eine entspannte Zukunft mit stetig wachsenden Freiräumen freuen, welche sie nicht wieder aufgeben müssen.
Größerer Altersabstand bei Geschwistern – aus der Sicht der Kinder
Kinder, die mit einem Jahr zur großen Schwester oder zum großen Bruder werden, verstehen noch relativ wenig von dem, was in der Familie gerade passiert. Das Verständnis für die kommende, familiäre Veränderung wächst jedoch mit zunehmendem Alter. Dies kann sich durchaus positiv auf den Familienalltag auswirken – beispielsweise dann, wenn das große Geschwisterkind alt genug ist, um zu verstehen, dass das Wickeln des Neugeborenen erst einmal wichtiger ist, als das gemeinsame Puzzlespiel. Mutter oder Vater können sich in den nächsten 5 Minuten voll und ganz dem jüngsten Kind widmen, ohne Schreie, Weinen oder Wutausbrüche herauszufordern.
Auf der anderen Seite werden die Eltern gewiss auch mit den Nachteilen des größeren Altersabstands bei Geschwistern konfrontiert: Hat das erstgeborene Kind bereits 5 oder gar mehr Jahre als alleiniger „Star“ der Familie die gesamte Aufmerksamkeit der Eltern und Verwandten genossen, muss es diese plötzlich mit einem anderen „Star“ teilen. Schlimmer noch: Aufgrund der Schutz- und Hilfsbedürftigkeit des Neugeborenen muss das ältere Geschwisterkind in den ersten Wochen und Monaten häufig zurückstecken, da der kleine Bruder oder die kleine Schwester lautstark die Zuwendung von Mutter und Vater einfordert. Diese Situation kann schnell zu Eifersucht und Rivalitätsgefühlen führen, denen die Eltern nur entgegenwirken können, indem sie sich mehrmals am Tag spezielle Auszeiten gönnen, die sie einzig und allein mit dem Erstgeborenen verbringen.
Gibt es den perfekten Altersabstand bei Geschwistern?
Gerade heraus gesagt: Nein, diese Frage kann nicht verallgemeinernd beantwortet werden. Viele Faktoren spielen bei der Entscheidung über den Altersabstand bei Geschwistern eine Rolle – und da kaum eine Familiensituation der anderen gleicht, können nur einige der wichtigsten Punkte herausgegriffen und kurz erläutert werden, damit jedes Elternpaar für sich selber entscheiden kann, welches Familienmodell am besten zu ihnen passt.
Für einen größeren Altersabstand bei Geschwistern sprechen folgende Gründe:
- finanzielle Engpässe, die erst einmal wieder geregelt werden müssen
- Platzmangel
- Berufliche Zukunftspläne
- Zwei Kinder im Kleinkindalter bedeuten eine enorme Belastung
- Jedem Kind wird ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zuteil
- Erholungspausen zwischen einzelnen, anstrengenden Phasen
- Erstgeborenes kann aktiv eingebunden werden
Eltern fühlen sich oft durch die Aussage, dass Geschwisterkinder mit großem Altersabstand eine weniger enge Beziehung zueinander aufbauen werden, stark verunsichert und entscheiden sich im Zweifelsfall gegen den Altersunterschied. Es ist jedoch nicht wirklich bewiesen, dass Geschwister mit größerem Altersabstand keinen „Draht zueinander finden“. Die zeitweise, gegenseitige Entfremdung tritt nur früher und vielleicht auch heftiger Zutage, da das erstgeborene Kind einige Jahre vor dem Geschwisterchen in die Pubertät kommt und dementsprechend weniger Zeit mit „dem Kleinen“ verbringen möchte, da es nun andere Interessen entwickelt. Diese Phase ist nur natürlich und das angespannte Verhältnis wird garantiert wieder liebevoller, sobald der Teenager seinen Platz im Leben gefunden hat.
Eltern sollten die Entscheidung über den Altersabstand bei Geschwistern daher mit dem Herzen und mit dem Verstand treffen, sich jedoch nicht durch dramatisierende Aussagen verunsichern lassen.
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