Hurra, das Baby ist da! Schwangerschaft und Geburt sind überstanden, der Papa strahlt mit den frischgebackenen Großeltern um die Wette, und Mami genießt selig lächelnd die glücklichsten Tage ihres Lebens. Soweit die Klischees. In Wirklichkeit hat etwa jede fünfte Mutter in der Zeit nach der Geburt mit einer Depression, dem sogenannten Babyblues zu kämpfen. Dr. Beate Wimmer-Puchinger hat an drei Wiener Spitälern das Phänomen Postpartale Depression untersucht und erklärt im Interview, warum es auftritt – und wie man sich dagegen wehren kann.
BabyExpress: Wodurch werden postpartale Depressionen ausgelöst?
Dr. Wimmer-Puchinger: Meist ist es nicht nur ein einziger Grund, der zum Ausbruch einer postpartalen Depression führt, vielmehr ist es eine Kombination aus individuellen Vorbelastungen, aktuellen Problemen sowie hormonellen und sozialen Faktoren. Unsere Studie hat auch ganz genau gezeigt, was die häufigsten Risikofaktoren sind: Vorherige psychiatrische Erkrankung, geringes Einkommen, geringe soziale Unterstützung, schwierige oder fehlende Partnerbeziehung. Vorherige traumatische Lebensereignisse, ungeplante Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit, Stressbelastungen in der Schwangerschaft sowie eine Mehrlingsgeburt. Überdurchschnittlich oft betroffen sind auch junge Mütter.
Warum ist die PPD so tückisch?
Die depressive Stimmung der Frauen wird vielfach vom Partner und dem familiären Umfeld nicht erkannt und verstanden, weil die Antriebslosigkeit der Frauen nicht als Depression erkannt wird und den sozialen Rollenerwartungen an das Idealbild einer immer glücklichen und einsatzbereiten jungen Mutter nicht entspricht. Diese Nichtentsprechung belastet die Beziehung der Schwangeren oder der jungen Mütter zu ihrem engsten Umfeld und erschwert somit zusätzlich die Umstellung auf die Elternschaft.
Welche Folgen kann PPD für die betroffenen Frauen haben?
Die Folgen von Postpartalen Depressionen sind möglicherweise im Extremfall medikamentöse oder stationäre Behandlung, eine belastete Mutter-Kind-Beziehung, Schuldgefühle und Suizidgefahr. Es kommt zu emotionalem Rückzug, Apathie, Teilnahmslosigkeit, Antriebsschwäche.
Und für die Kinder?
Langzeitstudien haben gezeigt, dass die mütterliche Stimmungslage auf die Entwicklung der Mutter-Kind-Interaktion nicht ohne Konsequenzen bleibt, das heißt, dass das Bonding – die emotionale Feinabstimmung auf die Bedürfnisse und Signale des Babys – den Müttern verständlicherweise schwerer fällt. Dies wiederum verstärkt die Unzufriedenheit beim Kind und führt zu Schreiverhalten, wodurch der Stress bei der Mutter erhöht wird. Somit entsteht ein circulus vitiosus, der die negative Einstellung verstärkt und ein Gefühl des Versagens und der Hilflosigkeit bei der Mutter hervorruft.
Was sollen betroffene Frauen tun?
Betroffene Frauen sollten mit einer Person ihres Vertrauens über ihre Gefühle sprechen. Das kann die beste Freundin sein, aber auch der Partner, die Hebamme, die Hausärztin, und so weiter. Der erste und zugleich schwerste Schritt aus der Krankheit heraus ist, um Hilfe zu bitten oder angebotene Hilfe anzunehmen. Angehörige können helfen, indem sie Verständnis für die betroffenen Frauen zeigen. Sie sollen die Frauen unterstützen, Hilfe anbieten, aber nicht aufdrängen. Besonders wichtig ist, die Frauen nicht zu verurteilen oder sie unter Druck zu setzen. Aussagen wie „Reiß dich doch zusammen“ oder „Du musst doch glücklich sein“ sind kontraproduktiv. Stattdessen muss man versuchen, einen gemeinsamen Weg aus der Misere zu finden. Unverständnis der Umgebung führt bei der Mutter, die ohnehin Schuldgefühle hat, die sich der Situation nicht gewachsen fühlt, zu einer zusätzlichen Stigmatisierung.
Autor: BabyExpress
Fotocredit: globalmoments/shutterstock.com
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